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Warum Linke andauernd verlieren
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Warum Linke andauernd verlieren

...und warum das Thema Migration dabei eine ganz entscheidende Rolle spielt.
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Liebe Leserinnen und Leser,

war der Sieg von Donald Trump unvermeidbar? Nein, war er nicht.

Allerdings taten die Demokraten viel dafür, ihm zum Sieg zu verhelfen. Um es überspitzt zu formulieren: Weil Joe Biden sich weigerte, das Chaos an der südlichen Grenze der USA ernst zu nehmen, nur eine ernsthafte Rede zu dem Thema hielt und viel zu spät reagierte, verlor Kamala Harris die Wahl. Die hohen Eierpreise gaben den Demokraten dann den Rest.

In dem Zusammenhang habe ich festgestellt, dass die Parteien der Mitte generell ziemlich viel dafür tun (oder wenig dagegen), dass radikale Kräfte in Europa und in den USA weiter an Zuspruch gewinnen.

Im heutigen Newsletter möchte ich deswegen die Frage stellen: Muss das so bleiben?

Wenn ich “Linke” schreibe, dann meine ich nicht die Linkspartei, sondern eher die SPD in Deutschland, die Demokraten in den USA, die Labor Party in Großbritannien usw. Also, Parteien der Mitte mit einem sozialdemokratischen Touch.

Linke Bewegungen haben sich in den vergangenen Jahren immer schwerer damit getan, ihr Mantra von Inklusion auch in die Praxis umzusetzen. Das betrifft sowohl Parteien wie die SPD und die Demokraten in den USA, aber auch Bewegungen wie Fridays for Future. Die Realität ist: Linke Bewegungen können ziemlich ablehnend gegenüber bestimmten Menschen sein, wenn diese nicht zu 100 Prozent das teilen, was die Bewegung oder die Partei predigt. Nun könnte man sagen, naja, da stehen Menschen für ihre Werte ein und die sind eben an der ein oder anderen Stelle unverhandelbar.

Ja, richtig, aber ist das auch strategisch klug?

Denn die Konsequenz ist ja, dass sich diese Bewegungen und Parteien in ganz Europa und in den USA selbst daran hindern, in Ämter zu kommen. Ich bin zwar kein “Linker”, allerdings habe ich als Demokrat (nicht U.S.-Demokrat, sondern “democracy” Demokrat) ein Interesse daran, dass die SPD nicht in der Versenkung verschwindet.

Wofür steht ihr wirklich?

Als junger Mensch habe ich im Übrigen auch ein Interesse daran, dass z.B. Parteien wie “Volt” größeren Erfolg haben und (vor allem) bei jungen Menschen ankommen. Denn ich frage mich zunehmend: Warum wählen junge Menschen derzeit größtenteils die Ränder? Volt blieb jedenfalls bei unter 1 Prozent der Stimmen bei der Bundestagswahl - in etwa gleichauf mit der Tierschutzpartei.

Die Spitzenkandidatin von Volt für die Bundestagswahl 2025. Quelle: Volt

Das Problem: Die Partei hat in den vergangenen Jahren vergessen, warum sie mal cool war. Volt war interessant, weil sie eine Mischung aus FDP und Grüne darstellten. Bei der Bundestagswahl 2021 waren das die Parteien, die den größten Erfolg bei jungen Wählerinnen und Wählern hatten. Insofern: gute Strategie.

Leider hat die Partei keine echte Kern-DNA mehr. Stattdessen schaut sie sich gewisse Muster bei der Linkspartei ab. So war es in meinen Augen ein Fehler, dass sich die Spitzenkandidatin von Volt Deutschland (nachdem die CDU bei einer Abstimmung im Bundestag zusammen mit der AfD gestimmt hatte) mit einem Plakat hingestellt hat, auf dem stand: “Fritze Merz Fischt Frische Faschos”.

Das ist unklug, weil es signalisiert: Die CDU und Friedrich Merz haben die demokratische Mitte verlassen und sind nun auf der gleichen Seite wie die rechtsradikale AfD. Solche Thesen sind hochgefährlich und sie sind ein Grund, warum die politische Mitte erodiert. Sogar der SPD-Politiker Kevin Kühnert, der nun wirklich nicht im Verdacht steht, in seiner Partei als rechts zu gelten, sagte in seiner letzten Rede im Bundestag:

“Nein, FDP und Union sind keine Faschisten, auch nicht klammheimlich. Der richtige Konflikt darf nicht mit den falschen Argumenten ausgetragen werden, aber ausgetragen werden muss er sehr wohl.”

Klug. Beides stimmt.

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Letzte Chance - Wird sie gerade verspielt?

Aber zurück zur aktuellen Lage und den Koalitionsverhandlungen in Deutschland.

In der Tat hatten (und haben vielleicht noch) Union und SPD eine historische Chance, schnell eine neue Regierung zu bilden, um dann das Vertrauen vieler Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen. In dem Podcast (2 + 2 = 4), den ich zusammen mit Gerald Knaus aufzeichne, sagte mein Podcast-Partner in der ersten Folge:

“Beide Parteien müssen sich hier nicht nur nicht verbiegen, sondern könnten etwas präsentieren, was mit ihren Interessen und Kernwerten absolut kompatibel ist.”

Verspielen jedoch diese Parteien gerade diese historische Chance? Blockiert möglicherweise die SPD einen Kompromiss beim Thema Migration, weil sie ein Klientel bedienen will, das gar nicht mehr existiert?

Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warnte seine Partei jedenfalls davor, die sogenannte Asylwende zu torpedieren. “Das wäre ein großer Fehler der SPD”, sagte er der Redaktion der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Er fügte hinzu: “Ihre eigene Wählerschaft ist aufgrund der weltfremden Migrationspolitik in Scharen zur AfD übergelaufen.”

Was noch nicht so richtig angekommen ist bei einigen Parteien: Die AfD steht nicht nur (in ihren Augen) bereit, die Macht zu übernehmen, sie rechnet sogar fest damit. In einer aktuellen Umfrage ist die Union nur vier Prozentpunkte vor der AfD. Die SPD wiederum schon acht Punkte hinter der rechtsradikalen Partei. Da kann man nur sagen: Wie viele Weckrufe braucht ihr noch?

Migration und Dänemark

Natürlich sollte man nicht den Fehler machen zu sagen: Nur weil die AfD in den Umfragen stark ist, sollten nun alle Parteien ihre Positionen übernehmen. Ganz im Gegenteil.

Unser politisches System ist dann stark, wenn es verschiedene Strömungen gibt und auch eine politische Spannung zwischen diesen Positionen existiert. Allerdings braucht es in ganz entscheidenden Momenten auch die Größe der politischen Akteure, um über ihren Schatten zu springen. Das sind Momente, wie die Agenda 2010 unter Gerhard Schröder oder auch die Bewältigung der Staatsschuldenkrise in der Europäischen Union.

Diesen Moment haben wir in Deutschland erreicht. Der Moment für den Sprung über den Schatten, er ist gekommen. Und der Schatten ist das Thema Migration. Es braucht hier dringend nicht nur eine Einigung, sondern auch das Signal in Richtung Bürger: wir haben verstanden.

Wenn die SPD Inspiration braucht, dann könnte sie nach Dänemark schauen. Dort regieren die dänischen Sozialdemokraten (Socialdemokraterne) nämlich mit Mette Frederiksen ziemlich erfolgreich. Der Journalist David Leonhardt hat darüber einen ausführlichen und hochinteressanten Artikel in der New York Times geschrieben. Die Quintessenz: Beim Thema Migration haben sich die dänischen Sozialdemokraten bewegt. Und das wird honoriert. Falls jemand die E-Mail-Adresse von Saskia Esken hat, vielleicht können Sie ihr diesen Artikel weiterleiten. Das würde für die laufenden Koalitionsverhandlungen sicher helfen.

Linke müssen nicht immer verlieren. Sie müssen allerdings verstehen, dass ihnen zunehmend die Wähler weglaufen. Wenn die SPD wirklich in der Versenkung verschwinden sollte, dann wäre das nicht nur furchtbar, die Partei muss sich dann auch vorwerfen lassen, dass sie im entscheidenden Moment zu wenig für den Erhalt unserer Demokratie getan hat.

Philipp Sandmann

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