Macht euch keine Sorgen um die USA...
...macht euch lieber Sorgen um Europa. Ein Kommentar zum Ende des Jahres.
Liebe Leserinnen und Leser,
ich schreibe den vorletzten Newsletter in diesem Jahr am Flughafen in Washington D.C. Es geht für mich über die Weihnachtszeit zurück nach Deutschland. Ich freue mich auf (echten) Lebkuchen, gutes Brot, weniger Klimaanlagen, Gemütlichkeit…
Und zugleich blicke ich auf das neue Jahr, das fulminant starten wird. Am 20. Januar 2025 wird der neue (und irgendwie auch alte) US-Präsident Donald Trump seine zweite Amtszeit beginnen. Er hat viel vor. Und er hat viel versprochen. Z.B., dass er den Krieg zwischen Russland und der Ukraine innerhalb eines Tages beenden könne. Mal schauen, ob das klappt. Und vor allem: mal schauen, unter welchen Bedingungen.
“The Tariff-Man”
Trump wird ein Strafzoll-Präsident sein. Er wird das Leben für viele Menschen noch teurer machen. Für Europäer, für Chinesen, aber auch für US-Amerikaner. Das Magazin The Atlantic titelte jüngst: “Trump ist dabei, seine Unterstützer auf dem Land zu verraten.”
Die Begründung? Schon in Trumps erster Amtszeit führten seine Strafzölle dazu, dass die USA im Bereich der Landwirtschaft Anteile am Weltmarkt verloren. Dieser Rückstand ist geblieben. Der Atlantic erklärt: “Im Jahr 2016 verkauften die USA zum Beispiel fast so viele Sojabohnen nach China wie Brasilien; jetzt kontrolliert Brasilien dreimal so viel des chinesischen Marktes.”
Millionen an Deportationen
Trump will Menschen millionenfach aus dem Land werfen. Er hat versprochen innerhalb der ersten Stunden seiner Amtszeit die Grenze zu Mexiko zu schließen und die größte Abschiebe-Aktion in der Geschichte der USA zu starten.
Der amerikanische Nachrichtendienst NPR schreibt, dass die Umsetzung von Trumps Abschiebe-Plan Milliarden von Dollar kosten könnte: “Es könnte auch dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft haben, wenn Branchen wie das Baugewerbe, das Gastgewerbe und die Landwirtschaft massenhaft Arbeitskräfte verlieren.”
Joe Bidens Politik wird bleiben - zum Glück
Und trotz all dieser Dinge bin ich mir sicher: Die USA werden vier Jahre Trump überleben. Natürlich wird nicht jeder im Land gleichermaßen gut oder schlecht durch diese vier Jahren kommen. Ich rechne stark damit, dass es z.B. zu weiteren Initiativen kommen wird, um die Rechte von Frauen im Land (oder zumindest in einigen Bundesstaaten) einzuschränken. Darüber habe ich in einem meiner vergangenen Newsletter geschrieben.
Doch zumindest wirtschaftlich und auch mit Blick auf die Zukunft sage ich: Die USA werden stark bleiben. Und das liegt vor allem daran, dass der scheidende US-Präsident Joe Biden kluge und langfristige Entscheidungen getroffen hat, die Trump zum Teil gar nicht zurückdrehen kann (oder will).
Das mag der ein oder andere gar nicht mehr glauben, weil man zuletzt nur noch einen alten und teils verwirrten Joe Biden gesehen hat. Doch seine Politik war nicht nur modern, sie wird sich auch als entscheidend für die langfristige nationale Sicherheit der USA herausstellen.
Ich möchte nur ein Beispiel dieser Politik nennen.
Denn um es ganz klar zu sagen: Die Frage ist nicht, ob es in Zukunft um erneuerbare Energien und moderne Technologien gehen wird, sondern die Frage ist einzig und allein: Haben die USA (und hat Europa) hier überhaupt noch den Hauch einer Chance, um mit China mitzuhalten?
Dass Trump denkt, er könne beispielsweise die Abhängigkeit der USA von China in puncto seltener Erden reduzieren, indem die USA ganz einfach selber solche Metalle fördern, das zeugt entweder von Naivität oder Unwissen.
Ein vor Kurzem veröffentlichter Bericht des United States Institute of Peace, in dem es um kritische Mineralien geht, stellte fest, dass die USA zu fast 100 Prozent von China abhängig sind. Die Nachfrage nach diesen seltenen Erden soll in den nächsten Jahrzehnten um 400 bis 600 Prozent steigen. Einer der Haupt-Abnehmer für diese seltenen Erden: Das US-Militär, das sich zunehmend Sorgen macht, woher diese Metalle in Zukunft kommen sollen.
Dass Biden seinem Nachfolger Trump einen Plan hinterlässt, um z.B. Importe aus afrikanischen Staaten von seltenen Erden zu erhöhen, um sich langfristig von China zu lösen, dafür müsste Trump ihm eigentlich ein Thank-You-Telegramm schicken.
Was passiert in Europa?
Im Jahr 2025 werden auch Deutschland und Europa die Weichen neu stellen müssen. Im besten Fall verstehen Politikerinnen und Politiker, dass es eine Art Ultra-Pragmatismus braucht, um die großen Hürden unserer Zeit zu überwinden.
Doch natürlich geht es um viel mehr. Zum Beispiel um das Verständnis, dass wir eine Antwort darauf finden müssen, womit wir in Zukunft Geld verdienen. Verzeiht mir, wenn ich mich schon anhöre wie ein kaputter Schallplattenspieler. Aber ich glaube, dass uns dieses Thema viele Jahre begleiten wird.
Und bei allem Widerspruch (und bei aller Kritik, die ich jüngst gegenüber diesem Mann geäußert habe), kommt der treffendste Satz in dieser Woche ausgerechnet von Elon Musk, der sagt:
“99 Prozent aller Autos werden in der Zukunft elektrisch und autonom sein. Ein manuell gefahrenes Benzin-Auto wird in etwa so sein, als würde man ein Pferd reiten während man sein Klapp-Handy benutzt.”
Vielleicht ist das etwas, über das sich Politikerinnen und Politiker in Deutschland Gedanken machen sollten. Und auch unsere Autobosse müssen endlich eine Antwort auf die Fragen der Zukunft finden.
Deswegen sage ich nach meinem Jahr 2024 in Amerika: Macht euch keine Sorgen um die USA. Macht euch lieber Sorgen um Europa!
Philipp Sandmann