Diese Rede sollte ein Bundeskanzler JETZT halten
Ich bin kein Politiker und habe trotzdem eine politische Rede geschrieben.
Liebe Leserinnen und Leser,
heute kommt mein Newsletter am Sonntagmorgen bei euch an. Lest ihr meine Texte lieber am Sonntag- oder am Montagmorgen?
Es geht dieses Mal nicht um die USA, sondern um deutsche Politik. Ich habe eine politische Rede geschrieben, die in der doch schweren Zeit für Deutschland ein paar Punkte anspricht, die ich wichtig finde. Ich bin kein Politiker, aber natürlich mache ich mir Gedanken über die Zukunft Deutschlands. Ich habe die Rede auch aufgenommen, ihr müsst also gar nicht den ganzen Text lesen, sondern könnt einfach zuhören.
Wie denkt ihr über die aktuelle Lage in Deutschland? Stimmt ihr zu? Habt ihr eine andere Meinung? Kommentiert gerne auf Substack oder schickt mir eine Mail. Ich freue mich auch (wirklich) über ganz deutliche Meinungsunterschiede!
Und weil es auch immer etwas geben soll, das ein bisschen lustig ist: Diese politische Rede von Loriot ist und bleibt der Goldstandard. Auch deswegen, weil sie mehr Inhalt hatte, als so manche echte Rede im Deutschen Bundestag.
Ich wünsche allen einen guten Start in die Woche!
Philipp Sandmann
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
unser Land befindet sich in einer schweren Krise. Diese Krise ist wirtschaftlicher Natur, ja, aber diese Krise ist im Grunde noch viel mehr eine Identitätskrise.
Wir werden uns in Zukunft mit diesen drei entscheidenden und grundsätzlichen Fragen beschäftigen müssen:
1) Woher kommt unser Wohlstand und was hat Klimaschutz damit zu tun?
2) Wie wichtig sind uns Humanität und Moral?
3) Wie gehen wir in Zukunft miteinander um und wer sind eigentlich unsere Partner auf der Weltbühne?
Um es deutlich und gleich am Anfang zu sagen: Ich liebe unser Land. Wir sind ein Land mit allen Möglichkeiten. Wir sind ein Land mit mutigen Frauen und Männern, ein Land voller Unternehmer und großer Firmen, die auf der ganzen Welt bekannt sind, ein Land mit atemberaubend schöner Natur, das Land mit dem besten Bier, das Land der Dichter und Denker, das Land der komplizierten, aber so präzisen und schönen Sprache, ein Land mit vielen verschiedenen Kulturen, und ein Land das mal getrennt war und bis heute noch zusammenwächst. Ich glaube daran, dass wir weiter zusammenwachsen können.
Bevor ich über das spreche, was sich verändern muss, möchte ich deswegen auch sagen, ohne dabei bestimmte Parteien zu nennen: Glauben Sie nicht denen, die Deutschland permanent schlecht reden. Glauben Sie nicht denen, die keine Lösungen anbieten, sondern nur nach unten treten. Glauben Sie eher denen, die sich Gedanken dazu machen, wie wir nach vorne kommen.
Die nächste Bundesregierung braucht meiner Meinung nach ein Mandat, langfristig zu denken und kluge Politik für die nächsten Generationen zu machen. Für mich ist Konservatismus und Klimaschutz kein Widerspruch. Im Gegenteil. Für mich ist soziale Politik und liberales Denken kein Widerspruch. Doch wie in allen Bereichen eines Lebens in einer funktionierenden Demokratie braucht es kluge Kompromisse. Es braucht Toleranz und um es in den Worten von Joachim Gauck zu sagen: Toleranz ist schwer, Toleranz bedeutet, dass man nicht immer einverstanden ist und Toleranz bedeutet streiten.
Die erste Frage, die ich gestellt habe, lautet: Woher kommt in Zukunft unser Wohlstand?
Das ist vielleicht die alles entscheidende innenpolitische Frage. Wir können nur dann ein Sozialstaat sein und bleiben, wenn wir auch das Geld dafür haben. Und Geld muss verdient werden. Geld kann dann verdient werden, wenn es Innovation gibt.
Hier muss die Gleichzeitigkeit erlaubt sein: Es ist möglich, den Verbrenner nicht sofort zu verbieten, und trotzdem zu sagen: Wir investieren in E-Autos und machen unsere Autoindustrie in dem Bereich wettbewerbsfähig. Wie kann es sein, dass die neue und beliebte Generation an E-Autos aus den USA und aus China kommt und nicht aus Deutschland? Warum waren wir so viele Jahre im Tiefschlaf?

Was wir in Deutschland noch nicht verstanden haben: Investitionen in erneuerbare Energien sind nicht nur für den Klimaschutz da. Sie sind auch (und vor allem) deswegen wichtig, weil das zwangsläufig die Technologien der Zukunft sein werden. Technologien, die in so vielen Bereichen der Weltwirtschaft eine entscheidende Rolle spielen werden. Wenn wir Geld verdienen wollen, dann müssen wir da mitspielen. Wenn unsere Autoindustrie Geld verdienen will, dann muss sie da mitspielen.
Um ein Beispiel zu nennen: China ist der größte CO2-Emittent der Welt, ja, richtig, aber gleichzeitig ist China Marktführer im Bereich der erneuerbaren Technologien. Der Kampf über die Dominanz in diesem Bereich ist zu einem Schlachtfeld geworden. China weiß das und hat mit der sich abzeichnenden Energiewende diesen Zukunftsmarkt effektiv schon erobert. Unternehmen aus China haben zuletzt 81 Prozent (16.992) der Patente für erneuerbare Energien angemeldet, die meisten aller Länder weltweit. Die USA sind mit acht Prozent (1.613) an zweiter Stelle. Die Frage, die ich habe: Wo sind wir? Auch dass Investitionen in diesem Bereich ein Treiber für die Wirtschaft sein können, zeigt das Land: Der Bereich der erneuerbaren Energien machte im Jahr 2023 40 Prozent des BIP-Wachstums des Landes aus.
Ich sage Ihnen das, weil ich es wichtig finde, dass wir darüber eine kluge Debatte führen: Nochmal, Investitionen in saubere Technologien sind nicht nur für den Klimaschutz wichtig, sondern auch deswegen, weil es zwangsläufig die Technologien der Zukunft sind. Die Frage, wie wir unseren Wohlstand in Zukunft sichern, führt an diesem Thema nicht vorbei.
Zweitens, die Frage: wie wichtig sind uns Humanität und Moral?
Die ganz einfache Antwort: sehr wichtig sollten uns diese beiden Dinge sein.
Demokratien müssen in Zukunft aber auch in der Lage sein, Humanität und Moral mit Kontrolle und Ordnung zu verbinden. Und der wichtigste Punkt: All das muss möglich sein (und ist möglich) auf Basis von geltendem nationalen und internationalen Recht. Wir müssen uns an internationales Recht halten, weil wir es umgekehrt auch von anderen erwarten.
In diesem Zusammenhang bin ich sehr ehrlich mit Ihnen: Beim Thema Migration müssen alle demokratischen Parteien in Deutschland zusammenkommen und sie müssen etwas anbieten. Tun sie es nicht, dann haben die, die unsere Demokratie untergraben wollen bereits vermeintliche Antworten parat und sie stehen bereit, diese auch umzusetzen.
Die demokratische Mitte muss etwas anbieten. Auch unbequeme Lösungen. Auch beim Thema Migration. Es braucht sichtbare Veränderung. Menschen wollen ernstgenommen werden. Ich werbe für Kooperationen und Abkommen innerhalb der EU und ich werbe auch für Kooperationen und Abkommen mit Ländern außerhalb der EU. Über allem steht: Legale Migration muss immer über humanitäre Kontingente ermöglicht werden.
Drittens, wie gehen wir in Zukunft miteinander um und wer sind auf der internationalen Bühne unsere Partner?
Um den ersten Teil der Frage relativ simpel zu beantworten: Wir müssen im Gespräch bleiben!
Nichts ist schlimmer für eine Demokratie, wenn wir nicht mehr miteinander reden. Ich bin der Meinung, dass wir hier in eine falsche Richtung abdriften. Die Diskussionen in den sozialen Medien und im echten Leben zielen zunehmend darauf ab, die andere Seite zu erniedrigen. Es geht nicht mehr um Verständnis und Empathie, sondern lediglich um Zerstörung.
Was die rechten und linken Ränder nicht verstehen: Durch ihre verkürzten und polemischen Aussagen machen sie nur den jeweiligen anderen Rand stark und das schwächt die demokratische Mitte. Die Mitte der Gesellschaft ist das, was wir aber stärken müssen. Zu einer starken Mitte gehören verschiedene Strömungen und Meinungen. Unsere Gesellschaft, unsere Politik, unsere Demokratie hat nur dann eine Zukunft, wenn wir diese Mitte erhalten und uns nicht über radikale Thesen definieren, um einen schnellen Erfolg zu erzielen.
In dem Zusammenhang noch ein Wort zu unseren Partnern auf der internationalen Bühne. Natürlich bleiben die USA auch mit dem neuen Präsidenten einer unserer wichtigsten Verbündeten. Das gleiche gilt für Israel.
Und unsere Partner befinden sich auch und vor allem hier in der Europäischen Union. Der Gedanke der EU ist ein wunderbarer: Frieden und freier Handel. Das halten wir manchmal für selbstverständlich. Den Wohlstand, den wir in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben, er existiert vor allem aufgrund der EU.
Aber genauso müssen wir nach Indien schauen, nach Brasilien, nach Indonesien. Wir dürfen nicht von unserem hohen Ross herab urteilen und nur mit denen sprechen, von denen wir glauben, dass sie unsere Werte teilen.
Meine Rede began mit dem Thema Identität und sie endet auch damit. Wir müssen es uns zur Aufgabe machen, die Frage zu beantworten, wer wir sein wollen in Zukunft. Eine große Wirtschaftsnation? Ein Innovationstreiber? Ein Einwanderungsland? Ein Vorbild für andere Länder? Ein Land, das die Sorgen und Ängste seiner Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt? Ich glaube es ist möglich, dass wir ein bisschen von all diesen Dingen sein können.
Dafür müssen wir ehrlich miteinander umgehen und sagen dürfen, dass uns einige Jahre der Veränderung und Transformation bevorstehen. Die Frage, wie wir dabei Geld verdienen, um unseren Lebensstandard zu halten und zu verbessern, ist eine der ganz entscheidenden.
Ich blicke mit Zuversicht in die Zukunft und ich glaube, unser Land hat Lust darauf, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Packen wir’s an.
In meine nächsten Newslettern geht es natürlich nicht nur um deutsche Politik, sondern um ganz verschiedene Dinge: US-Politik, Leben in Washington D.C. und Analysen zu den gesellschaftlichen Veränderungen, die wir gerade erleben.