Wie Elon Musk den Journalismus killen will
Er ist der mächtigste Mann der Welt und pendelt zwischen Genie und Wahnsinn. Gerade hat Musk die Medien im Fadenkreuz. Der Journalismus muss reagieren - aber hat er dafür noch die richtigen Leute?
Liebe Leserinnen und Leser,
vor fast vier Jahren wurde der damals amtierende US-Präsident Donald Trump vom sozialen Netzwerk Twitter gesperrt. In Washington D.C. fand in dieser Zeit der Sturm aufs Kapitol statt.
Vier Jahre später ist Donald Trump erneut zum Präsidenten gewählt worden. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Ich habe versucht, sie in einem meiner ersten Newsletter zu analysieren.
Mittlerweile heißt Twitter jedenfalls “X” und ist im Besitz von Elon Musk. Musk ist nicht nur der reichste, sondern nun auch einer der mächtigsten Männer der Welt. Mächtig ist er, weil X rund 600 Millionen aktive User hat.
Dabei spielen die absoluten Zahlen gar nicht die größte Rolle. Im Gegensatz zu Facebook (3 Milliarden monatliche User) oder Instagram (2,4 Milliarden monatliche User) sind das nahezu “Peanuts”. Doch es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen Musk und Facebook-Chef Mark Zuckerberg: Musk nutzt X, um seine ganz persönlichen Inhalte und Meinungen sowie die Agenda seines neuen “Chefs”, Donald Trump, zu verbreiten. X ist zum Propaganda-Medium für Musks Weltbild geworden und Musk kann Menschen mit einem einzigen Tweet zum Abschuss freigeben.
Ich habe mir in der vergangenen Woche die Inhalte des Tech-Milliardärs auf X genauer angesehen und sie analysiert. Das Ergebnis: Musk führt einen Kampf gegen die Medien und den Journalismus. Er nutzt dabei einen alten Trick. Der Mensch, der Bürger, der User soll entscheiden - sagt Musk. Power to the people. Dabei passiert in Wahrheit genau das Gegenteil.
Noch eine Information in eigener Sache: Wenn ihr mich unterstützen wollt, um in Zukunft auch exklusive Inhalte zu lesen, wie z.B. meinen Bericht zu Angela Merkels Buchvorstellung in Washington D.C., dann könnt ihr das hier tun:
“Psychologische Manipulation”
Elon Musk soll in Trumps Kabinett Beauftragter für das neu geschaffene Department of Government Efficiency, kurz DOGE, werden. Seine (vermeintliche) Aufgabe: Bürokratie- und Stellenabbau in Behörden der US-Regierung.
Doch das wird nicht die einzige Priorität von Musk sein. Der Multimilliardär ist jetzt schon so etwas wie der Chief of Staff für Meinung. Und er hat es vor allem auf die etablierten Medien und Journalisten abgesehen.
In den vergangenen Tagen teilte Musk z.B. diesen Tweet: “Man sollte Nachrichten nur schauen, um zu studieren, wie die psychologische Manipulation der breiten Öffentlichkeit funktioniert.” Er wurde über 48 Millionen mal angeschaut.
Gleichzeitig beschreibt Musk sein Netzwerk X als die “größte Quelle für Nachrichten auf dem Planeten.” Musk ist zudem der Meinung, dass die “kumulative Stimme der Menschen entscheiden sollte, was einen Nachrichtenwert hat.”
Mit anderen Worten: Die Menschen entscheiden, über was berichtet werden soll. Was sich demokratisch anhört, ist natürlich billiger Populismus. Zum einen, weil der X-Algorithmus regelmäßig die Tweets von Elon Musk (oder die Tweets seiner Lieblings-Accounts) ganz oben in der Timeline anzeigt (somit entscheidet nicht die Masse, sondern einfach nur Musk).
Und zum anderen lässt Musk weg, dass Dinge ja oft erst dann einen “Nachrichtenwert” bekommen, wenn Journalistinnen und Journalisten sie vorher recherchiert, ausgegraben und herausgefunden haben. Die investigativen Recherchen von Journalisten weltweit sorgen dafür, dass Ungerechtigkeiten aufgedeckt und korrupte Regierungen zur Rechenschaft gezogen werden.
Leben in der Matrix
Neben dieser Art von posts, teilt Musk regelmäßig Inhalte von Accounts mit Namen wie “ELON FACTS”, die ausschließlich positive Dinge über ihn verbreiten.
Musk sieht sich selbst als Person, die “aufgewacht” ist und sich befreien konnte von dem großen “Deep State”, der alles kontrollieren und zensieren will. Auch deswegen verbreitet Musk Inhalte, die propagieren, dass Menschen (wie in dem fiktionalen Film Matrix) in Wahrheit ruhig gestellt werden und nur in einer scheinbaren Realität leben. Hinzu komme, laut Musk, dass die meisten Menschen dieser Scheinwelt gar nicht entkommen wollen, sondern so “abhängig” von dem System seien, dass sie es “schützen” wollten.
Die etablierten Medien sind dabei eine gute Zielscheibe. Das Narrativ lautet: Die Medien lügen nicht nur, sie sind Teil eines perfiden Systems, das den “normalen” Bürger klein halten will.
“Pure Propaganda”
Elon Musk hat es auch auf deutsche Medien abgesehen. Sogar auf Zeitungen wie die “Welt”, dessen Herausgeber Ulf Poschardt womöglich Deutschlands größter Musk-Fan ist.
Aber wer nicht spurt und es wagt, die Entscheidungen von Donald Trump zu kritisieren, der wird eben angegriffen!
So wurde auf dem X-Account der Welt vor einigen Tagen ein Artikel verlinkt, der auf die Verschwörungstheorien von Kash Patel hinweist. Patel soll neuer FBI-Chef unter Trump werden und sagte über das Verschwörungstheorie-Netzwerk “QAnon”, dass es sehr viele “positive” Aspekte habe.
Der Tweet der Welt, in dem Patel als ultrarechter Verschwörungstheoretiker bezeichnet wird, reichte für Musk aus, um einen Tweet einer fragwürdigen deutschen Bloggerin zu teilen und dann zu schreiben:
“Die Menschen in Deutschland sollten lieber X nutzen, damit sie wissen, was wirklich passiert. Die etablierten Medien sind die pure Propaganda. Verschickt Links zu X an eure Freunde in Europa!”
Musk verbreitet Fake News
Dass es Musk natürlich nicht um die Wahrheit geht, zeigt dieses Beispiel.
So teilte Musk kürzlich einen Tweet, in dem behauptet wird, dass es eine “Radikalisierung” amerikanischer Frauen gebe. Der Account namens “The Rabbit Hole” veröffentlichte ein Diagramm, in dem ein roter Pfeil (für Frauen) nach oben zeigt und ein blauer Pfeil (für Männer) nach unten. Darüber steht nur der Satz: “Radikalisierung amerikanischer Frauen”
Musk legitimierte die Botschaft des Tweets durch zwei Ausrufezeichen.
Doch die Wahrheit ist das genaue Gegenteil von dem, was behauptet wird. Die Grafik stammt nämlich aus einem Artikel der Financial Times vom Januar. In dem Artikel wird erklärt, dass Frauen und Männer zunehmend unterschiedlich wählen und Frauen liberalere Positionen als Männer einnehmen.
Das Wort “Radikalisierung” kommt in dem Text kein einziges Mal vor!
Die Zukunft des Journalismus
Bei aller berechtigten Kritik an Elon Musk sollten Journalistinnen und Journalisten allerdings auch vor ihrer eigenen Haustür kehren. Das heißt: Keine Voreingenommenheit und Fehler sollten schneller eingestanden werden!
Das machen sie zu selten.
Ich war selbst viele Jahre lang aktiv im Journalismus. Gelernt habe ich bei FAZ, BILD und Welt, später bin ich zum Fernsehsender RTL/ntv nach Berlin gegangen. Ich habe in all diesen Medienunternehmen großartige Journalistinnen und Journalisten kennengelernt.

Was ich allerdings auch gemerkt habe: Die Medienwelt ist verkrustet. Viele Chefs, die in diesen Medienhäusern Entscheidungsmacht haben, haben mitzuverantworten, dass der Journalismus, dass Zeitungen, dass Fernsehsender heute so unter Druck stehen und sich so schwer damit tun, bei der jungen Generation Fuß zu fassen.
Zu lange ist das Internet belächelt worden!
Später, als das Internet dann ernst(er) genommen wurde, hat man die gleichen Fehler mit den sozialen Medien gemacht. Noch vor acht Jahren, als ich mein Volontariat anfing, wurden Social-Media-Redakteure belächelt. Heute ist die Stelle eines Social-Media-Redakteurs eine der wichtigsten Positionen in einem modernen Medienunternehmen.
Wenn ihr mich fragt, dann müsste in den großen deutschen Medienhäusern dringend aufgeräumt werden. Die, die jahrzehntelang das Internet kleingeredet haben und keinen Plan für die Zukunft entwickelt haben, die sollten in Rente gehen!
Wie seht ihr das? Schickt mir eine Mail oder kommentiert unter diesem Artikel.
Philipp Sandmann
Ich finde es erschrecken wie viele Menschen und Unternehmen schon vor der Inauguration vor der neuen Regierung kuschen und "auf Linie" gehen.
Hoffentlich passiert das bei den meisten Medien in den USA nicht. Vor allem weil die Größen am Ende alle Wirtschaftsunternehmen sind. Die renommierte Washington Post hat ja noch vor der Wahl den Kurs etwas "weicher" gestellt. Money rules after all ...
Sehr spannende Analyse auf jeden Fall!