Was sind "Tradwives" und sollten wir uns Sorgen machen?
Über das Leben der (modernen) traditionellen Hausfrau und warum die Ultrakonservativen in den USA diesen Trend dankend annehmen.
Liebe Leserinnen und Leser,
die moderne Frau steht am Herd! So sehen das zumindest die sogenannten Tradwives. Das sind Frauen, die ein ultrakonservatives Rollenbild vorleben und das auch gerne in den sozialen Medien propagieren.
Heißt konkret: Die Frau bleibt Zuhause und kümmert sich um die Kinder, der Mann ist der Versorger und verdient die große Kohle. Alles sieht immer mühelos und ästhetisch aus. Das Haus makellos, die Haare gemacht, das Essen auf dem Tisch. Ein perfektes Leben - könnte man(n) fast meinen. Doch wie echt sind die Tradwives eigentlich? Und steckt dahinter womöglich auch ein politischer Trend? Ich habe für euch recherchiert.
And for my English speaking readers and followers, here is the English version of my article:
Die “biblische Unterwerfung”
Um das Thema besser verstehen zu können, habe ich mit Viktoria Rösch gesprochen, die an der Frankfurt University of Applied Sciences u.a. zum Thema “The Women of the Far Right. Social Media Influencers and Online Radicalization” geforscht und veröffentlicht hat. Die Expertin erklärt:
“Die Tradwife inszeniert sich in den sozialen Medien ohne Ecken und Kanten und wird zum Abziehbild eines Geschlechterverhältnisses, in dem alles seine klare Ordnung hat.”
Auf Instagram und TikTok backen die Tradwives in pastellfarbenen Kleidern für ihre Männer Kuchen und holen Aufläufe aus dem Ofen. Diese Inhalte seien auch für gewisse Männer attraktiv, die sich eine Frau wünschen, die sich aus freien Stücken unterwirft: “Das entfacht bei einigen Männern Sehnsucht. Der Wunsch nach einer solchen Frau wird in den Kommentarspalten kundgetan”, sagt Rösch.
Eine der bekanntesten Tradwives ist Estee Williams, die auf Instagram 117.000 Follower hat. Im Fall von Williams kommt auch eine religiöse/evangelikale Komponente dazu. Die Tradwife-Influencerin erklärt auf ihrem Account: “Tradwives ermutigen zur biblischen Unterwerfung, weil die Bibel davon spricht. (…) Die Hierarchie der Autorität sieht Christus an der Spitze, gefolgt vom Ehemann, dann die Frau und die Kinder. Diese Hierarchie schützt die Familieneinheit vor Satan.”
Warum überhaupt ernst nehmen?
Im Grunde genommen könnte man diesen Trend - wie so viele andere alberne Trends in den sozialen Medien - einfach ignorieren. Und man könnte auch sagen: Lasst die Menschen doch so leben, wie sie leben wollen.
Doch die Tradwives sind eben nur die Spitze des Eisbergs. Dahinter stecken Bewegungen, die nur eine ganz bestimmte Version von Familie zulassen und fördern wollen. Diese teils rechtsextremen Bewegungen propagieren eine Welt, in der Kontrolle über die Frau und den Körper der Frau ausgeübt werden soll. Spätestens seitdem Donald Trump zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt worden ist, haben diese Bewegungen ein offenes Ohr im Weißen Haus.
Da ist zum Beispiel die ultrakonservative Heritage Foundation, dessen Project 2025 ein ziemlich radikales und religiös-fundamentalistisches Familienbild propagiert. In dem über 900-Seiten langen Dokument heißt es z.B. auf Seite 481, dass man eine auf der “Bibel basierende” Ehe und Familie fördern wolle. Kein Zufall, sagt Expertin Rösch:
“Das Geschlechterverhältnis ist eines der zentralen ‘Kampffelder’ in aktuellen politischen Debatten. Es ist ein globales Themenfeld, das rechtspopulistische und extreme rechte Gruppen und Akteure eint. Es ist kein Zufall, dass einige der Tradwives offensiv Trump unterstützt haben.”
Und auch in einigen US-Bundesstaaten findet ein schleichendes und mittlerweile ziemlich sichtbares Zurückdrehen von Frauenrechten statt, das vor allem beim Thema Abtreibung schon jetzt Spuren hinterlässt. So zeigen Studien, dass die Säuglings-Sterblichkeitsrate in den USA in den Monaten nach der Dobbs-Entscheidung (Abtreibungsverbot) deutlich gestiegen ist.
Außerdem versuchten konservative Politiker in Bundesstaaten wie Texas und Louisiana immer wieder durch Gesetzesentwürfe das Scheidungsrecht zu ändern und drängten darauf, dass ein Gesetz zurückgedreht wird, das es erlaubt, die Scheidung einzureichen, ohne ein Fehlverhalten des Ehepartners beweisen zu müssen.
Sind die Tradwives in Wahrheit die “Breadwinner” der Familie?
Zum Schluss noch ein Widerspruch. Zum einen ist nicht wirklich klar, wie viele der Tradwives ihr Leben genau so leben, wie sie es in den sozialen Medien darstellen. Heutzutage kann mit diesem Content jedenfalls viel Geld verdient werden. Klar ist aber auch, dass sie eine gewisse “Vorbild”-Rolle für einen Lebensstil einnehmen, der mehr Rückschritt als Fortschritt bedeutet.
Doch während die Social-Media-Damen ein Leben propagieren, in dem der Mann arbeiten geht und die Frau Zuhause bleibt, so sind die erfolgreichen Instagram-Accounts in Wahrheit kleine Unternehmen. Das bedeutet, dass die ganz “traditionelle” Tradwife in einigen Fällen mehr über die sozialen Medien verdienen wird, als der Versorger-Mann, der jeden Tag ins Büro fährt. Das ist ja wiederum fast schon… ziemlich modern.
Ich wünsche euch einen schönen Sonntagmorgen!
Philipp Sandmann